WERNER LANG VOLK IM FLUSS

 

Bilder einer Ausstellung mit dem Titel: VOLK im Fluss Eine Visuell – Akustische Installation Der Bildteil in dieser Installation, gleichsam eine Anhäufung von reproduzierten unscharfen Photographien – vermittelt durch die bis vier Diaprojektoren in Endlosbetrieb – erhöht letztlich den diffusen Charakter der Wortbedeutung. Eine Bildbesprechung von diesen Photographien von Werner Lang (oder wie die Bilder von einem Arbeiter wahrgenommen werden)

 

Zur „Fotografie – VOLK“ Thematik, wahrgenommen von einem Arbeiterliteraten, der davon ausgehend abstrahiert

 

 Vorerst einmal, wenn man diese Fotografien betrachtet, so sind darauf Menschen im Widerstand zu erkennen – verschwommen und dadurch scheinbar verschmolzen, sowie in sich vereint. Von daher sich selbst auch WIR nennend, für diesen Augenblick des Widerstandes aber auf den Fotos scheinbar für immer. Von dieser Annahme gehe ich aus. Denn diese Bilder werden unter dem Titel VOLK geführt, wie es auch über den Bildern zu lesen steht. „Alle müssen weg“, war die Parole des VOLKES von Argentinien, die 2001 fast geschlossen gegen die neoliberale Politik ihres Landes demonstrierten. Diese Forderung vermeint man auch, aus den stummen Rufen der Menschen, durch die Bilder hindurch zu hören. Des Weiteren sind auf mehreren Bildern, schwach aber doch merklich, durch die Grautöne hindurch, Einsatzkräfte des Militärs oder Polizeiapparates zu sehen - sie schlagen auf das VOLK ein. Hier muss es sich um einen Polizeiapparat handeln, der gepanzert, bewaffnet und zielgerichtet mit eindeutigen Vorgaben vorgeht - das ist meine Schlussfolgerung daraus. Denn die in Vordergrund stehenden Einsatztruppen müssen ja mit Vorgaben ausgestattet sein, die ich spürbar und eindeutig als Befehl: „Alle müssen weg“, aus den Bildern zu vernehmen vermag. Vielleicht ist das die beschwörende Formel der Regierenden, die sich noch immer auf ein Volk beruft, das es so gar nicht gibt. Gleich wie ein VOLK im Widerstand gegen eine menschenverachtende Regierung – das ich so und nicht anders aus den Bildern herauszulesen vermag –, für einen Augenblick lang nichts anderes weiß, als die Parole auszugeben: „Alle müssen weg“, aber einmal abgebildet und auf Fotos festgehalten, diese Forderung dadurch für ewig erscheint. Hier ist eine Trennung vorgezeichnet, mit unscharfen Schwarz-Weiß-Aufnahmen ist sie vollendet. Das bringt uns zum Leid, das diese Menschen zum Widerstand trieb, - es kommt aus einem Leiden, das universal ist. Das universale oder auch unpersönlich gewordene Leid, hervorgerufen durch die ökonomisch ohnmächtige Stellung dieser Menschen in der Gesellschaft, zeigt sich ungeschminkt durch ihre Gesten auf den Fotos. Es tritt hervor, wenn sich das VOLK gegen das UNVOLK wehrt, das in Form der Staatsgewalt sich zu erkennen gibt. Es tritt ja das UNVOLK größtenteils nur mehr durch den ökonomischen Sachzwang an das VOLK heran; ihre Bereicherung am VOLK bleibt im Verborgenen. Unter dieser vorläufigen Zusammenfassung können wir schon einigermaßen verstehen, warum diese Bilder den Titel „VOLK“ tragen. Betrachtet man aber die Fotos nur oberflächlich, reduziert auf persönliche Abhängigkeiten untereinander, die ja auch aus den Bildern ablesbar sind, so kann man von einer Gemeinschaft sprechen. Man kommt dann vorschnell zu einer VOLKS-Gemeinschaft. Aber von der Gesamtheit der fotografischen Arbeiten aus betrachtet, kann unter den Begriff VOLK, so wie er im Zusammenhang mit den Bildern verwendet wird, wohl eher eine bürgerliche Gesellschaftsform gemeint sein. Bei einem so bezeichneten VOLK – jetzt einmal reduziert auf die einfachsten zwischenmenschlichen Beziehungen, auf die Klassen –, das im Fluss der Zeit zu unpersönlichen Abhängigkeiten abgestiegen ist (Lohn, Kreditabhängigkeit usw.), also größtenteils schon zu einer in Produzenten und Eigentümer gespaltenen Gesellschaft sich entwickelt hat, haben sich die Ersteren den Zweiten durch die rechtlich abgesicherte Form der Lohnabhängigkeit unterworfen; des Weiteren auch durch die voranschreitende Arbeitsteilung und Spezialisierung entfremdet, isoliert und individualisiert, sodass sie sich selbst nicht mehr als Volk im Sinne von einer sozialen Einheit erkennen können. Im Gegensatz dazu, die Regierungen des jeweiligen Landes, - was diese auch machen, - sie müssen sich letztlich immer wieder auf „ihr Volk“ berufen, obwohl sie nur mehr über sich selbst sprechen. Das VOLK kann sich damit aber nicht mehr identifizieren und zieht sich in die Privatheit zurück. Die Entfremdung ist getan. Denn die besitzende Klasse herrscht über den Staat schon längst mithilfe des Stimmrechts, wie wir alle wissen. Denn die wahre Gemeinschaft einer bürgerlichen Gesellschaft ist die Feindschaft der Konkurrenz, die in sich keinen Halt hat. Dem Lohnarbeiter darin steht es frei sich zu verkaufen oder in Elend zu versinken, wenn die gewählten Interessensvertreter in den jeweiligen Regierungen dem nicht entgegensteuern. Das Ganze gemeinsam betrachtet kann nur als Gesamtbevölkerung eines Staates bezeichnet werden, nicht aber als VOLK. Wir wissen oder erahnen es schon längst: Der entscheidende Teil des Volkes sind die Lohnarbeiter -. sie sind die Träger der Produktion - sie schaffen den gesellschaftlichen Reichtum und damit die wesentlichen Voraussetzungen für den gesellschaftlichen Fortschritt. Wenn aber das Volk nur mehr abstrakt im Sinne von Gesamtbevölkerung gebraucht wird, dann kann sich der Lohnarbeiter konkret nur mehr im Augenblick des gemeinsamen Widerstandes als VOLK wiederfinden. Aus den Bildern zu schließen - um die es ja letztlich geht - muss es innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft eine Klasse geben, die nur wegen ihrer Stellung darin leidet. Dieses Leid - das können wir eindeutig sagen - entspringt aus der Lohnarbeit selbst, sie beruht auf dem Einsaugen der daraus resultierenden Mehrarbeit, auf die wir später noch eingehen werden. Von daher setzte man früher auf eine Ordnungsmacht, der den Drang des Kapitals, in seinem maßlosen Einsaugen von Mehrarbeit Einhalt gebot. Es sieht so aus, als ob der staatliche Zwang, der neben der freiwilligen Anerkennung existiert, nicht mehr den Gegensatz in der Ordnung bestätigt. So wird diese Produktionsweise in sich selbst zerstörerisch, die nur mehr im Widerstand, also von einem neu sich findenden VOLK, gegen Lohnraub und Schuldenlasten, die Gefahr einer Verelendung der Lohnarbeiter abwehren kann und nicht umgekehrt, wie von Bereicherungswissenschaftlern behauptet. Denn wir haben es mit einer Gesellschaftsform zu tun, die immer wieder periodisch auf Katastrophen zusteuert. Diese Experten für Plusmacherei, die nur die Wirtschaft im Auge haben, wundern sich nach jeder Wirtschaftskrise immer wieder aufs Neue, dass das Ganze zu einer sozialen Katastrophe ausartet, obwohl sie, ihrer Logik entsprechend, den Lohnabhängigen alle Lasten aufbürden müssen, um die Krise zu bekämpfen – wahrscheinlich nicht wissend, dass eine Gesellschaft, aufgebaut auf kapitalistisches Privateigentum mit gekaufter Arbeitskraft bewegt wird. Und da der Lohn immer weniger dem Lebenserhalt gerecht wird – das heißt, dass der Lohn nicht mehr den Wert der Mittel zur Wiederherstellung der Arbeitskraft und die mit eingebundene Aufzucht neuer Arbeitskräfte mit einschließt – ist der Lohnarbeiter gezwungen, da er ja nur seine Arbeitskraft hat, die er immer wieder verkaufen muss, um nicht zu verkommen, Widerstand zu leisten, schon um sich selbst und die Seinen am Leben zu erhalten. Nur mehr so sind soziale Katastrophen abzuwehren. Denn ehemalige Arbeiterparteien haben sich ja schon vor einiger Zeit von ihren Gründern verabschiedet und sich zu einer dubiosen „Volkspartei“ entwickelt, die einem wirtschaftlichen Sachzwang unterliegen. Einem Sachzwang, der eigentlich nur darin besteht, dass die Eigentümer ihren unter Vertrag haltenden Produzenten einen Teil ihrer Arbeit absaugen und so ihren Reichtum vermehren. Noch tragen die von den Arbeitern zur Staatspartei mutierten Interessensvertreter dafür Sorge, dass nicht zu viel auf einmal abgesaugt wird, um die Arbeitskraft auch noch als Kaufkraft einigermaßen zu erhalten, denn irgendwer muss ja schon im Interesse der Wirtschaft den ganzen Plunder kaufen. Das leuchtet aber diesen Übergangsparteien immer weniger ein. Was bleibt ist, dass die Lohnabhängigen, eben durch diese oben beschriebenen Abhängigkeiten, gemeinsam ihr unpersönliches Leid, das die Lohnarbeit selbst ist, abschütteln muss. Dazu muss gesagt werden, dass Arbeit nicht immer auf Lohnarbeit reduziert war. Mit dieser Reduzierung wird ein Unrecht schlechthin an den von Lohn abhängigen Menschen verübt. Dieses Unrecht wird merkbar, wenn man sich fragt: Wie und wem verkaufe ich mich am besten (um mich am Leben zu erhalten)? Davon ausgehend wird bei jedem eingegangenen Arbeitsvertrag mit dem eigenen Blut unterschrieben. Denn dem gegenüber steht das Kapital, das nur sich am Leben erhalten kann, wenn sie die Kosten reduziert. Alle Kosten aber werden letztendlich von der lebendigen Arbeit „erwirtschaftet“ - wenn ich das hier mit diesem falschen Begriff verdeutlichen darf. Denn Kosten sind nichts anderes als Löhne. Auch resultierend, aus den bestehenden Eigentumsverhältnissen, sich den persönlichen Zweck der Besitzenden unterwerfen zu müssen, fremdes Eigentum zu vermehren, um sich ihren Lebensunterhalt zu sichern, macht diese Menschen zu Arbeitskräften und daher zu abstrakten Individuen – so wird sachliche Produktion als Zwang erlebt. Und der Staat fungiert nur mehr als wesentlich kapitalistische Maschine - um auf die Bezeichnung Staatsparteien anzuspielen. Denn jede Leistung für den Staat ist ein Abzug von privaten Mitteln, auch der von den Lohnarbeitern in der Rolle eines Staatsbürgers. Den auf den Bildern festgehaltenen Menschen im Widerstand geht es – das kann man auch zwischen den Zeilen in Zeitungen und Fernsehanstalten herauslesen und hören -, um ihr unpersönliches Leiden. Das sind die Leiden des Lohnarbeiters überhaupt, die persönlich nicht mehr ertragbar sind. Es ist die Rolle der Lohnabhängigkeit selbst, die die Menschen zum Leiden zwingt und die sie letztlich abschütteln müssen. Weil Lohnarbeit versachlicht ist, dadurch ist sie so schwer durchschaubar. Der Mensch in der Produktion zählt ja nur mehr, wenn er, in irgendwelchen Betriebsbüchern, irgendwelchen Firmen, als Kostenfaktor Geldsumme und Ziffer aufscheint; dadurch sich selbst durchrechnet, sich selbst reduziert, weil er für andere als Programm fungiert, seinen Platz in der Wirtschaft von außen betrachtet und daher ihn nicht mehr erkennt, usw. Und wenn über den Staat zur Rettung von Banken private Schulden vergesellschaftet werden, dann bürdet man mehrheitlich den Lohnarbeitern, die nichts mit dem Ganzen zu tun haben, Privatschulden über Einsparungsprogramme auf - ausgearbeitet von den Staatsparteien, im Interesse eines finanzdominierenden Kapitalismus. Um am Schluss zu den Fotografien zurückzukehren, und um hier ein Ende setzten zu können: Wenn es so weit ist, dass die Menschen sich im Widerstand selbst als VOLK definieren und nicht nur als Titel für eine Fotoausstellung Verwendung finden, dann wird das schon etwas Reelles und hat nichts mehr mit Ideellem zu tun, das heißt, nichts mehr mit einer Statistik aus Zahlen und Daten oder mit einer Ausstellung aus Bildern und Worten, die rein volkswirtschaftlich oder ästhetisch betrachtet werden. Dann erst kann man von einem VOLK im Widerstand sprechen. Wieder von den Bildern ausgehend und abstrahierend kann man sagen: Die abgebildeten Menschen auf den Fotos, die aus ihrem sichtbaren Leiden zum Widerstand gezwungen wurden und daher auf den Fotografien als ein V O L K erscheinen, können nur zu einem Volk werden, wenn der Produzent auch Eigentümer über sein Produkt wird.

Werner Lang, ihr Buch "Stramm" ist ganz ungewöhnlich und außerordentlich - es hat mich fasziniert, wie Sie die eigenen Arbeitserfahrungen und die negative soziale, kapitalistische Entwicklung in Österreich in Ihren Text integriert haben! Es gibt meines Wissens nichts Vergleichbares in der Literatur der Arbeitswelt. Und die Verbindung mit den tollen
aussagekräftigen Fotos ist eine hervorragende Ergänzung.
Erasmus Schöfer

Das Buch "Stramm" (Geschichte der Industriearbeit) ist im Buchhandel in Wien erhältlich:

Brigitte Salanda, a.punkt € 18,- bis 30.5. ab 31.5 21 Euro)

 

Ab Dienstag 19.05.2020

 

Di–Fr 11–18:30 Uhr, Sa 10–17 Uhr

 

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Fischerstiege 1–7
A–1010 Wien

 

 

 

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mo – fr von 10 – 18 uhr, sa 10 – 15 uhr.
taborstrasse 17A
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Libreria Utopia € 18,- bis 30.5. ab 31.5 21 Euro)

 

Ab Mittwoch 20.05.2020

 

Mi–Fr 14–18, Sa 12–16 Uhr

 

Preysinggasse 26 - 28/1

 

U3 Schwenglerstraße, Ausgang Stättermayergasse

 

0660 3913865

 

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Florianigasse 36

 

Di, Do, Fr 15–19, Sa 11–16 Uhr

 

rote.galerie.wien@gmx.at

 

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1080 Wien

 

 

 

Lhotzkys Literaturbuffet  € 18,- bis 30.5. ab 31.5 21 Euro)

 

Ab Dienstag 19.05.2020

 

Di-Fr 13:00-18:00 Sa 9-13 Uhr

 

06991 5851668 / 01 2764736

 

Rotensterngasse 2

 

1020 Wien